Hannes Hawlicek

Ansichten eines Badewaschls

Der Abend ist die Zeitreise eines Floridsdorfers von den 1960er Jahren bis ins Heute. Neue Lieder, wie auch eingewienerte, bekannte Songs begleiten die Ansichten und Eindrücke des Badewaschls. „Wenn ich mich so transdanubische beweg´ und zisdanubisch blicke, denk ich mir: Nau, zu uns haben sie sich nicht rüber´traut, die Römer.“

Das Wetter der Erlebniswelt des Badewaschls wird vom Luftdruck mehrerer Stammtische bestimmt. Auch wenn die Geographie seiner Erfahrungen nicht bloß seine Heimatstadt Wien umfasst, auch in Kanada oder den USA sind seine Reaktionen davon geprägt. „Bei uns im Bezirk gibt´s drei entscheidende Wirtshäuser und in einem jeden kann ich mich zum Stammtisch dazusetzen. Wenn ich will.“

Die Lehrstunden des Lebens hat der Badewaschl ausschließlich praktisch erfahren, Weniges theoretisch. Die Volksschule war ihm schon Gefängnis. „Nach der Pflicht des letzten Schulzeugnis“ war Schluss mit den „Aus-ge-bildungsmöglichkeiten“. Der Gitarre kann er verlässlich die Lagerfeuerstimmung entlocken, die ihm als Blase, Schutzschild genügt. Darin findet er alle Luft, die er zum Atmen braucht. Er ist sich selbst genug, bewusst wie unbewusst.

Es stören ihn die Wirtschaftsflüchtlinge, „die von der Nebenstiege zug´reist sind. Die Deutschen.“ Der Badewaschl gefällt sich als Dinosaurier, der nicht zur Kenntnis will, dass er längst ausgestorben ist. Dabei erfüllt er jedoch kaum Klischees. Ob dies den Umständen seines Agierens oder der Individualität seiner Persönlichkeit zugesprochen werden kann, ist nicht mit Sicherheit festzumachen. Er wird so zum Spiegel einer Gesellschaft, deren Narzissmus es ist, genau zu wissen, woran fest geglaubt wird. Seine Meinung ist ambivalent und stellt die Frage, hat er sich jetzt bloß versprochen oder tatsächlich Etwas zu sagen?

Der Badewaschl lebt mit dem Selbstverständnis, dass es genügend Kleine gibt, die sich groß machen müssen. Warum und wie sich dann ums Leben kümmern? Das Leben kümmert sich schon um Einen. Der Badewaschl ist vielleicht ein sozialer Mensch, aber kein gesellschaftlicher. Er ist desillusioniert, glaubt jedoch stets an seine Ziele. Aus den darin gefundenen Sackgassen zu flüchten, ist ihm Instinkt geworden. Arbeit, Liebe, Hoffnung oder Sehnsucht, allem weiß er zu entfliehen.

Der Badewaschl ist nicht einmal ein Badewaschl. Er ist Sicherheits-Beauftragter, alleinverantwortlich mit seinem Pfeiferl. „Ich habe mich beauftragt, die Anderen retten schwimmend!“ Der Badewaschl ist nichts. Nicht einmal dass, was er manches Mal tatsächlich vorgeben muss, zu sein. „Nie hab´ ich einen Beruf, oder was, ´braucht. Immer hatte mich meine Art von Berufung.“

Auf die Frauen in seinem Leben ist er vor allem als versuchter Gigolo und, noch weniger erfolgreich, als Vorstadt-Casanova getroffen. Der Liebe begegnet er in Fels-in-der-Alten-Donau-trotzender Manier. Für die Klaustrophobie der Liebe ist ihm keine Wohnung der Damen zu groß. Alles wird ihm Wohn-Haft.

„Ich hab´ imma d´rauf g´schaut, dass ich nix hab´. Aber selbst das wollen s´ dir wegnehmen.“ Der Badewaschl kennt die Menschen wie die Leut`, da er sich selbst kennt. Beim Blick in sein Inneres hat er jedoch nicht Alle dort Gefundenen miteinander bekannt gemacht. Vierlleicht findet deshalb alles Menschliche in seinem Drinnen Platz.

Der Badewaschl ist ein Wiener, der niemals untergeht. Ständig schwimmt er jedoch herum, in irgendeiner Sintflut. Er versteckt sich in der Öffentlichkeit. Aktiv verweigert er Gedanken, indem er ihnen seine Sprache gibt.

„Ich brauch´ kein Ehrengrab.

ich brauch´ kein Denkmal. Ich bin mir Beides selber g´nug.“

Wie die Gesellschaft verkomparitiert auch der Badewaschl vom Allgemein zum Allgemeiner.

Jedenfalls, wenn man einem Badewaschl glaubt.

 

Nikolaus Schauerhuber, Journalist Ö1:

Wir haben darüber diskutiert, was das neue Programm von Hannes Hawlicek eigentlich genau ist. Denn es ist zugleich zum Tränen lachen lustig wie gutes Kabarett, es ist aber auch - da wieder ganz anders als üblicherweise im Kabarett - musikalisch ebenso anspruchsvoll, wie - allein schon durch den kessen Hüftschwung vom Hannes immer wieder selbstironisch gebrochen - unterhaltsam, zugleich ein dichter literarischer Text, dem das Wort „Kleinkunst“ niemals gerecht werden könnte, und immer ebenso kurzweilig wie anregend und für einen Profidepressiven wie mich äußerst berührend.